Komm Ins Offene

Bei Wolfgang Steinmeyer geht’s Drunter und Drüber

Die Laudatio zur Ausstellung mit Zeichnungen für Kinder und Erwachsene im Foyer

Von Hans Piesbergen zur Vernissage am 21. September 2019

Wolfgang Steinmeyer ist ja eigentlich ein Ensemblemitglied des T:K. Als Live-Zeichner sorgt er bei der KLEINEN SCHUSSELHEXE und bei NUSSKNACKER UND MÄUSEKÖNIG in jeder Vorstellung für die im Moment entstehenden Illustrationen. Dabei werden die Bilder von einer Filmkamera aufgezeichnet und direkt auf die Leinwand projiziert. Ein „Echtzeit“-Bühnenbild sozusagen.

In NUSSKNACKER UND MÄUSEKÖNIG gibt es einen Moment, den ich sehr liebe und der Wolfgangs künstlerische Arbeit, ja vielleicht sogar seine Sicht auf die Welt treffend kennzeichnet: An der Stelle, wo es im Märchen nachts zu schneien beginnt, nimmt Wolfgang ein Teesieb zur Hand, gibt etwas Staubzucker hinein und schüttelt das Sieb über der auf schwarzem Papier gezeichneten Stadt – und plötzlich beginnt es im Bild auf der Leinwand zu schneien!

Aber damit noch nicht genug. Auf einmal zieht Wolfgang eine bis dahin unsichtbare Schablone weg und plötzlich steht da in Staubzucker-Schneeschrift: ENDE.

Das ist fantasievoll, poetisch, überraschend, witzig.

Wenn Wolfgang Steinmeyer bei den Klassik für Kinder-Stücken zeichnet, werden seine Illustrationen live auf eine Leinwand übertragen. Foto (c) Birgitta Weizenegger

Es zeigt, dass in den meisten Dingen – und natürlich auch Menschen – viele Möglichkeiten stecken, wenn man nicht nur linear denkt.

Und es beschreibt Wolfgangs Vielseitigkeit in seinem künstlerischen Schaffen, das Umdeuten von Materialien für seine Zeichnungen. Wenn Sie durch die Ausstellung gehen werden, werden Sie immer wieder auf überraschende Materialien und Maltechniken stoßen, Sie werden Querverbindungen sehen – und Sie werden Wolfgangs Humor nicht nur in seinen Bildern erleben, sondern auch in seinen Bildunterschriften, die oft in einen Spruch, in einen Knittelvers, in ein kleines Gedicht münden.

Wolfgang Steinmeyer zeichnete bei seiner Kunstnacht-Vernissage von DRUNTER UND DRÜBER kleine Andenken für die Besucher. Foto: Hans Piesbergen

DRUNTER UND DRÜBER heißt die Ausstellung, die wir bis Ende des Jahres im Foyer des T:K sehen. Und es geht in diesen Zeichnungen nicht nur „drunter und drüber“ zu, sondern Wolfgang nimmt diesen Titel wörtlich, die Bilder hängen auch „drunter“ und „drüber“. Denn sie sollen auch die Jüngsten unter uns erreichen, daher hängt eine Reihe der Zeichnungen auf Augenhöhe mit uns „Erwachsenen“ und eine Reihe auf Augenhöhe mit den Kindern. Und das können wir ruhig im doppelten Sinn verstehen.

Die Bilder sind wie Fabeln in der Literatur. Über das Erzählen von Geschichten aus der Tierwelt werden beispielhafte Geschichten über uns Menschen erzählt. Das verstehen Kinder wie Nicht-Kinder gleichermaßen gut.

Damit der Austausch aber noch besser funktioniert zwischen uns groß Gewachsenen und den noch nicht ganz so groß Gewachsenen, sollten wir Älteren uns ruhig oft bücken oder in die Knie gehen, um Wolfgangs Bilder aus Kinderperspektive wahrzunehmen. Und die Kinder dürfen und sollen wir auf den Arm nehmen und ihnen die obere Reihe der Zeichnungen zu zeigen.

Gut möglich, dass wir dann entdecken, dass Wolfgang Steinmeyer auch uns etwas auf den Arm nimmt. Denn er wäre ein erster Anwärter auf den „Orden wider den tierischen Ernst.

© Wolfgang Steinmeyer

Der tierische Ernst und der tierische Un-Ernst kennzeichnen diese Zeichnungen vom sprichwörtlichen Zebra-Streifen vor dem Eingang des Theaters bis zu den Bildunterschriften.

EIN PFERD HAT 4 BEINER
AUF JEDER SEITE EINER
UND HAT ER MAL KEINER
UMFALLT

schrieb Kurt Schwitters.  Und um Ihnen jetzt zu zeigen, dass Wolfgang Steinmeyer ein Verwandter im Geist und im Humor dieses großen Malers und Dichters ist, hier einige Kostproben der Steinmeyerschen Dichtkunst:

Allgäukrimi

Winterstille
Kaltes Blut
Märchenlandschaft
Jägerhut
dann Peng!!!!
ein Schuß!
es knallt!!!
Das war der Förster Willibald.
Hingestreckt liegt er im Schnee….
“Ich tu´s nie wieder!”
verspricht das Reh
und macht sich selig aus dem Staub.
Der Förster war ein Weilchen taub.
Zum Glück kam bald der Hase Peter,
seines Zeichens Sanitäter,
beruhigt den Förster:
“Wird schon gut –
mausetot
ist nur Dein Hut!”

(Bei dem nachfolgenden Gedicht muss erwähnt werden, dass der Titel länger als das Gedicht ist!)

Nachricht von einem Tintenfisch, welcher gerade schreibt wo er zu finden isch!

Lieber, guter Killerwal
Heut sitz ich in der Iller mal!

(Und bei nachfolgenden Gedicht muss erwähnt werden, dass dies ein Versuch ist, das kürzeste Gedicht zu kreieren, welches trotz der Kürze noch einen Sinn ergibt:)

L

Das wär ein Aal
ohne Vokal!

Die Ausstellung DRUNTER UND DRÜBER – Zeichnungen von Wolfgang Steinmeyer im Foyer des Stadttheaters ist bis 06.01.2020 geöffnet jeweils eine Stunde vor Beginn der Vorstellung. Der Eintritt ist frei.